Der sogenannte ISO Wert
Analog fotografieren hängt von einem Faktor ganz stark ab. Die Abkürzung ASA bedeutet „American Standard Association“ und war die Angabe der Lichtempfindlichkeit in analoger Zeit. Heutzutage wird weltweit diese Angabe als ISO-Wert bezeichnet. Der untere Standardwert bei vielen digitalen Kameras ist ISO 100 und kann beliebig verändert werden, sodass digital heute fast im Dunklen fotografiert werden kann. In der analogen Fotografie wird dieser Wert allein durch den Film bestimmt. Der unterste Wert war ISO 25 beim Kodachrome 25 Film. Der höchste Wert ist heutzutage mit dem Ilford 3200 S/W Film zu erreichen. Kameratechnisch war analog bei Nikon (F3/F100) mit 6400 ASA der Höchstwert gesetzt. Ein niedriger Zahlenwert, geringe Film-Empfindlichkeit, bedeutet, dass für eine richtige Belichtung viel Licht benötigt wird. Und umgekehrt.
Die Qual der Wahl
Es stehen pro Film entweder 24 oder 36 Aufnahmen zur Verfügung – eine exklusive und nicht ganz billige Art zu Fotografieren. Von Anfang bis Ende wird mit dem gleichen ISO Wert belichtet. Es kann nicht, wie digital möglich, von Aufnahme zu Aufnahme gewechselt werden. Daher legt der/die Fotograf*in schon im Vorfeld mit der Motivwahl den zu nutzenden Film fest. Soll ohne Blitz im Dämmerlicht oder bei Sonnenschein in der Natur fotografiert werden? Soll das Motiv Leinwand groß oder als 18x24cm Foto verwendet werden? Wird die Kunst der Diafotografie – ein komplett durchgeplantes unveränderbares Foto herzustellen – umgesetzt? Wird für einen Modekatalog, wo die Aufnahmen eine größtmögliche Schärfe und wenig Korn haben sollen oder im künstlerischen Bereich fotografiert? Damit wären wir beim zweiten Kriterium für die Herstellung des Endprodukts.
Das sogenannte Korn
Heute ist es das Rauschverhalten des Kamerasensors, früher benannte man damit die Körnigkeit des Films. Das digitale Rauschverhalten hängt von der Verarbeitung der Bildinformationen ab und wird in (Chrominanz) Farbrauschen und (Luminanz) Helligkeitsrauschen eingeteilt. Mit gängigen RAW-Konvertern kann beides verringert werde. Außerdem spielt die Pixelgröße eine entscheidende Rolle: bei einem Kleinbild-Sensor (FX-Format) ist sie doppelt so groß wie bei einem Micro-Four-Thirds-Sensor. Jeder einzelne Pixel kann deshalb in der gleichen Zeit die doppelte Menge Licht aufnehmen. Bei einer sehr guten digitalen Kamera fängt das Rauschverhalten erst bei einem hohen Wert, bei der Nikon Df z.B. erst bei 3200 ISO, an.
Deshalb ist der Schärfegrad der Fotos sehr hoch. Umso schlechter das Rauschverhalten ist, desto deutlicher kann man die Pixel wahrnehmen und bekommt den Eindruck eines „unscharfen“ Fotos.
Analog kann dieser Effekt auf die Körnigkeit des Films übertragen werden. Je höher der ISO-Wert des Films ist, desto deutlicher können die Bildpunkte wahrgenommen werden. Dadurch bekommt der Betrachter auch hier den Eindruck, dass das Foto unscharf sei. Bei kurzem Betrachtungsabstand sind die Bildpunkte dann sehr gut erkennbar. Dieser Effekt tritt eigentlich ab den 400 ISO Filmen auf. Ist der ISO-Wert hoch, wird auf den Film wenig Licht gebracht und weniger flächig belichtet. Das Endprodukt in der analogen Fotografie hängt also bei optimal belichtetem Filmmaterial sehr stark von der Körnung ab.
Wie entsteht ein Negativ Bild?
Alle Bildpartien, die viel Licht erhielten, werden stärker geschwärzt als die weniger intensiv belichteten. Das Resultat ist ein in seinen Tonwerten umgekehrtes, negatives Bild des Objektes. Das ist beim Endwicklungsvorgang nur noch wenig, aber vielschichtig beeinflussbar – z.B. durch das Push-Verfahren oder die Zonenentwicklung. Bei dem Push-Verfahren, besonders in der Sportfotografie oder bei langen Brennweiten eingesetzt, kann bis zu einer Blende mehr ohne Qualitätseinbuße bei der Abbildung aus dem Filmmaterial herausgeholt werden. Besonders geeignet ist hierfür der Ilford HP5. Dies ist eine Wissenschaft für sich, eröffnet dem/der Fotografen*in im analogen Bereich aber einen größeren Handlungsspielraum. Er/Sie muss deshalb sowohl das Leistungsvermögen des Objektivs als auch des Films kennen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Begriffe wie Schwarzschildeffekt, Flachkristallfilm (z.B. die Ilford Delta Filme), klassische Emulsion, Kennlinie oder verlängerte Entwicklung, um nur einige zu nennen, zeigen die Bandbreite der möglichen analogen Bedingungsfaktoren.
Der Amateur sollte die normalen Verhaltensweisen des ausgesuchten Films kennen. Im Buntbereich ist der Farb- und Kontrastcharakter – ob Kodak oder Fuiji – z.B. entscheidend. Das Hauptkriterium ist und bleibt das Filmmaterial und mit ihm die Körnigkeit.
Jeder Film hat seinen optimalen ISO-Bereich
Das sogenannte „Eintesten“ des Filmmaterials (http://www.anzinger-online.de/Foto/filmtest.html ) ist bei Buntfilmen nicht so entscheidend, hilft aber auch hier zu besseren Ergebnissen. Der angegebene ISO-Wert des Films ist von der standardisierten Filmentwicklung abgeleitet – man bekommt immer ein „ordentliches Ergebnis“ bei richtiger Belichtung. Aber oft kann der Film in seiner „Komfortzone“ mehr – genauso wie ein hochwertiges Objektiv im optimalen Blendenbereich. Den ISO-Wert leicht reduziert, kann Wunder wirken – z.B. durch weniger Korn. Beim S/W-Film ist das individuelle austesten eigentlich Pflicht. Der Ilford Delta 3200 hat einen optimalen Wirkungsbereich zwischen 1250 und 1600 ISO. Je nach Anwendungsbereich – z.B. Portraitfotografie – ist dies nicht nur Geschmackssache, sondern auch Wirkungsweise des Fotos. Ein Portrait mit 1250 ISO oder gepusht mit 3200 ISO – da liegen Welten zwischen.
Es kann leider nicht nur mit einem 36er Film ein „Eintesten“ durchgeführt werden – das ist eine aufwendige und nicht ganz billige Angelegenheit – aber für den „Film Favoriten“ sehr lohnenswert.
Der „unechte“ SW-Film – Ilford XP2 Super
Neben diesen Schwarzweißfilmen gibt es auch noch einen sogenannten „unechten“ SW-Film, den Ilford XP2 Super mit 400 ISO. Dieser Film war für den standardisierten C41-Farbnegativprozess entwickelt worden. Der Vorteil dieses „unechten“ Schwarzweißfilms – man konnte ihn in der Drogerie um die Ecke zum Entwickeln abgeben. Trotzdem bekam man dann von einem guten Fotolabor hervorragende S/W Abzüge auf Fotopapier. Er eignet sich außerdem sehr gut zum Scannen. Dazu später noch ein paar Sätze.
Der Dia-Film – die Krone der analogen Fotografie
Der Diafilm ist die Herausforderung überhaupt im analogen Bereich. Das Motiv muss mit richtigem Ausschnitt und perfekter Belichtung, manchmal im Bruchteil einer Sekunde, auf den Film gebannt werden. Danach geht nichts mehr – keine Ausschnittveränderung oder Belichtungskorrektur. Und das Foto für Foto. Gelingt dies nicht, führte das zu den „legendären Diaabenden“ mit 800 Dias und mehr, die man dann nur noch mit einem guten – nein, sehr guten Rotwein oder Whisky – überleben konnte.
Der Kontrastbereich und die Farbwirkung hängen beim Diafilm deshalb noch mehr von der Wahl des Filmmaterials ab. Besonders hier hat sich unser Sehverhalten durch die digitalen Möglichkeiten verändert. Ein Dia wandgroß projeziert, wirkt oft von der Farbwirkung blass. Diese Farbsprache als Gestaltungsmittel einzusetzen, erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl, um nicht „Enttäuschung“ beim Betrachter hervorzurufen. Modekonzerne haben sich diesen Unterschied für ihre Werbecampagnen bewusst zunutze gemacht – den Betrachter in längst vergangene Zeiten mitgenommen. Mit diesem Dia-Filmmaterial ist der größte Unterschied zur heutigen digitalen Fotografie zu erreichen. Womit wir beim eigentlichen Thema wären.
Was ermöglicht die analoge Fotografie an „mehr“ gegenüber der digitalen?
Das Bestreben der analogen Fotografie in der Vergangenheit vor dem digitalen Zeitalter war, bei möglichst wenig Licht noch hochwertig fotografieren zu können – ohne Blitz bei natürlichem Licht. Ohne Stativ aus der Hand war nur mit professionellen Objektiven und mit Filmmaterial mit hoher ISO Zahl Fotografieren möglich. Im analogen Bereich sind 3200 ISO die Schallgrenze – aber als Folge auch nur mit starker Körnung. Im „normalen Anforderungsbereich“ war bei 400 ISO Schluss. Digital können wir darüber nur lächeln. Digital können wir schneller auf Lichtprobleme reagieren, noch fotografieren, wenn analog schon nichts mehr geht und alle Unzulänglichkeiten digital bearbeiten.
Deshalb ist analog Fotografieren ein Schritt bewusst in einen anderen Herstellungsprozess – in Kombination von Film und ausgewähltem Objektiv in verschiedene Ver- und Bearbeitungsprozesse treten. Hier sind Kategorien wie „in eine alte Zeit zurückgehen, schlechtere Bildqualität oder die Anzahl der verarbeiteten MBs“ anders zu bewerten – viele Wege führen nach Rom. Egal welches Foto wir betrachten – wir gehen einmal davon aus, dass alle Fotos handwerklich perfekt erstellt wurden – bei einigen bleiben wir hängen! Warum? Weil sie vom Motiv, von der Sehweise oder der Andersartigkeit aus der Masse herausragen – sowohl analog als auch digital. Und Analog auf Film gebannt hat eine eigenständige Bildsprache.
Hier einige Besonderheiten:
- Mit dem Korn spielen – also konträr zum Betreben aller Kamerahersteller arbeiten. Nicht möglichst rauscharm, sondern ein einmaliges Foto fasziniert, in Kenntnis der einmaligen Eigenschaften des Filmmaterials, produzieren.
- Ganz bewusst mit schwarz-weiß Fotografieren. Das Filmmaterial durchläuft drei Prozesse – belichten – entwickeln – Abzüge herstellen. Auf alle drei Prozesse kann ich aktiv einwirken und das Endprodukt beeinflussen. Ich möchte das Foto genauso!
- Alte „handwerkliche“ Fähigkeiten erhalten, als zweite Form des Fotografierens – vergleichbar mit Vinyl und Digital – jede Form hat seine eigene Daseinsberechtigung.
- Ich ringe in der Begrenzung der analogen ISO Werte um „das eine Foto“.
Das fertige Papierfoto fasziniert uns dann aus dem Zusammenspiel aller Bedingungsfaktoren.
Das digitale Scannen von analogem Bildmaterial
Dieser Prozess, analoge Fotos einzuscannen, macht Sinn bei der Rettung alten Bildmaterials vor dem Zerfall. Auch die Archivierung von herausragenden eigenen analogen Fotos ist sinnvoll. Geht es aber um das heutige analoge Fotografieren, macht ein Nachbearbeiten von eingescannten analogen Fotos keinen Sinn, da man dadurch gerade die Wirkung aufhebt, deren man analog unterwegs ist. Für eine Präsentation über Beamer? Das analoge Foto wirkt durch seine Dynamik, das ausgewählte Format und durch das genutze Fotopapier! Und das alles schluckt der Beamer. Professionell genutzt sind es ja gerade diese Wirkungsweisen der Papierfotos, die bewusst eingesetzt werden sollen. Also – entweder ganz oder garnicht! Soll projeziert oder ins Netz gestellt werden – dann macht analog nur der Dia Film Sinn.
Außerdem hängt die Qualität der eingescannten Fotos einzig von der Qualität des Scanners ab. Nur Profigeräte erhalten die Bildqualität der Vorlage. Pixelt man dann am Foto rum, vermischt man analog und digital. Diesen Fehler hat man im Musikbereich mit den ADD CDs schon gemacht. Weit hinter der Qualität der Vinyl Platte liegend, und wenn man das Original kennt und von einer guten HiFi Anlage abgespielt, dann kaum zu ertragen. Ein digitalisiertes analoges Foto ist ähnlich … , auch da soll Vielfalt möglich sein.
Aber ob der teure Weg über analoges Filmmaterial dann noch sinnvoll ist, muss jeder/jede Betrachter*in selbst entscheiden.